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Forschungslabor von Sun Pharma in Indien: Innovationen könnten die Pharmabranche voranbringen.

Foto: APA/EPA/SUN PHARMA / HANDOUT

Wien – Zwischen den Erwartungen der Aktionäre und der realen Unternehmenspolitik liegen mitunter Welten. Das zeigt sich auch und gerade im Bereich Pharma. Wie in kaum einer anderen Branche weisen alle maßgeblichen Indikatoren nach oben. Die Gesundheitsausgaben, die schon in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen sind, werden weiter wachsen, nicht zuletzt wegen der älter werdenden Bevölkerung.

Wie eine dem STANDARD vorliegende Studie der Boston Consulting Group (BCG) zeigt, spiegeln sich diese hohen Erwartungen an die Branche auch im Unternehmenswert der untersuchten Pharma- und Medizintechnikfirmen. Die Aktionärsrendite (Dividende plus Kursgewinn) ist im Zeitraum 2010 bis 2015 um durchschnittlich 19 Prozent pro Jahr gestiegen. Allein – das Umsatzwachstum konnte in den allermeisten Fällen bei weitem nicht Schritt halten. Die meisten der untersuchten Top-15-Unternehmen wiesen im Vergleichszeitraum ein geringes bis rückläufiges Wachstum aus.

"Die Börse erwartet, dass neue Wachstumsmodelle kommen, die die Unternehmen in die Zukunft tragen", sagte Ewald Kreid, Pharmaexperte bei Boston Consulting. "Bleiben Erwartungen unerfüllt, dann werden die Unternehmen abgestraft, zum Teil dramatisch, wie wir das in den vergangenen Monaten in Form heftiger Kurseinbrüche gesehen haben."

So hat etwa Valeant, dessen Geschäftsmodell sich im Wesentlichen auf Mergers-&-Acquisitions-Aktivitäten sowie happige Preiserhöhungen stützte, seit vorigem Sommer einen Großteil seiner in der Spitze bei 90 Milliarden Dollar (gut 80 Mrd. Euro) gelegenen Börsenbewertung verloren. Aktuell ist das kanadische Pharmaunternehmen rund neun Mrd. Dollar schwer. Da sei viel schiefgegangen, auch die Erwartungen seien überzogen gewesen, das Geschäftsmodell nicht nachhaltig, sagte Kreid. Nicht zuletzt bei Forschungsausgaben wurde gespart.

Vier Modelle für organisches Wachstum

Boston Consulting hat in der Studie "Growing in an Fishbowl" (Wachsen in einem Goldfischglas) im Wesentlichen vier Modelle für organisches Wachstum identifiziert, die bis 2020 in Summe ein Potenzial von gut 1000 Milliarden Dollar (gut 890 Mrd. Euro) haben.

  • Fundamentale Innovationen basierend auf wissenschaftlichem Fortschritt Das größte Potenzial liegt nach Einschätzung von BCG in der "Rückkehr" fundamentaler Innovationen, die eine Therapie grundlegend verändern und die den Patientenwert maßgeblich verbessern. Diese Therapien stellen etwa ein Drittel des Wachstumspotenzials (250 bis 350 Milliarden Dollar) dar.
  • Kostensparende Produkte: Fast ebenso vielversprechend sind Produkte, die die Gesundheitskosten bestehender Therapien reduzieren und damit die öffentlichen Gesundheitsbudgets entlasten könnten. BCG geht hier von einem Potenzial in der Größenordnung von 150 bis 350 Milliarden Dollar aus. Dazu zählen zum einen Produkte, die die Einkaufspreise senken – etwa Generika, Biosimilars oder günstigere Medizintechnik. Zum anderen handelt es sich aber auch um innovative Produkte und Dienstleistungen, die Arbeitszeit einsparen helfen und dadurch die Gesamtkosten im Gesundheitssystem drücken können.
  • Konsumentenorientierte Produkte: Das voraussichtlich am schnellsten wachsende Gebiet sind nach Einschätzung von BCG die von Patienten selbst bezahlten Produkte (240 bis 300 Milliarden Dollar). Darunter fallen Diagnosetests genauso wie Seh- und Hörhilfen.
  • Wachstumspotenzial: Entwicklungsländer: Trotz sich abkühlender Euphorie für Entwicklungsländer sieht BCG gerade in diesen Märkten ein weiter hohes Wachstumspotenzial für Pharma- und Medizintechnikunternehmen (180 bis 200 Milliarden Dollar). Der Fokus liegt hier auf spezifischen Angeboten, die öffentliche Gesundheitssysteme stärken, häufig auch in Form von Partnerschaften mit Regierungen und Nichtregierungsorganisationen. (Günther Strobl, 23.5.2016)